Dienstag, 4. Juni 2013

Woher kommst du?

Diese Frage höre ich schon, seitdem ich denken kann - vielleicht auch erst, seitdem ich darauf antworten kann. Im Kindergarten: "Und, woher kommst du?" Na, von da drüben, denke ich mir. Wieso fragt er mich und nicht das blonde Mädchen neben mir? Die wohnt doch nur zwei Häuser weiter. Ich habe dunkle Locken und dunkle Augen - uuh wie anders.

Aber was heißt denn schon anders? Jeder sieht doch anders aus. Selbst Zwillinge unterscheiden sich - minimal, aber es gibt einen Unterschied. Wenn aber die Frage nach deiner Herkunft gestellt wird, bedeutet es, du hast etwas Fremdes in dir. Etwas, dass eigentlich nicht hier hingehört, nicht von hier ist. Dabei fühlt man sich selber, wie von hier. Es sind deine Straßen, durch die du gehst, deine Freunde, die du triffst, deine Familie, die hier lebt, deine Erfahrungen, die du hier machst, deine Erinnerungen, die hier festhängen. Und immer wenn wieder diese eine Frage kommt, wirst du daran erinnert, dass du doch auch fremd bist.

Seit ich klein bin, muss ich mich fragen wer ich bin. Deutsch? Ecuadorianisch? Beides? Kann man das? Ich bin deutsch, bin hier geboren und aufgewachsen, aber ich bin auch eine Latina. Zwar habe ich nie dort gelebt, aber ein großer Teil meiner Verwandten ist noch dort. Es besteht eine Verbindung, auch emotional. Also was bin ich? Man muss sich seiner Identität schon früh bewusst sein, der Fragende möchte ja eine Antwort. Wie soll sich ein Kind schon dessen vollkommen bewusst sein? Man weiß nicht mal, was man will, wie die Welt so tickt und was ist das mit den Jungs. Sind die doch nicht doof?

Immerhin habe ich einen deutschen Pass, nicht allzu dunkle Haut und keinen Akzent. Denn diese Eigenschaften lassen bei einigen Menschen deinen IQ sinken, solltest du sie haben. Nur weil mancher die Sprache nicht beherrscht, ist er dumm. Dabei würde er dich in seiner Muttersprache mit seinem Intellekt übertrumpfen. Schön ist auch die Aussage: "Oh, du sprichst aber gut deutsch!" Ja, und bestimmt besser als du. Wenn du fremd aussiehst, musst du dich immer erst beweisen. Zeigen, dass du hier hin gehörst, dass du nicht so anders bist, wie dein Gegenüber. Und manchmal wünschte ich, es wäre anders.

3 Kommentare:

  1. So schön habe ich das noch nicht zusammengefasst gelesen. Diejenigen, die daran so interessiert sind, sollten sich zuerst fragen, wofür das überhaupt relevant ist. Den Schwaben frag ich auch nicht nach seinem Heimatdorf.

    Leider kann man umgekehrt diese Haltung schlecht konterkarieren. Die Situationen, wenn du nicht gefragt wirst, fallen halt nicht so auf. Selbstverständlichkeiten sind die stumme B-Seite des Lebens.

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  2. Meistens ist es einfach Neugier, manchmal provozier ich die Frage und nur manchmal ist sie abwertend gemeint. Trotzdem ist es, je nach Stimmung, anstrengend.

    Und ja, es fallen einem nur die schlechten Dinge auf. Das Gute nimmt man meist zu selbstverständlich.

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