Montag, 8. April 2013

Meine Diamanten!

Endlich!! Heute begann unser alljährliches Schul-Sommerfest. Wie jedes 10-jährige Mädchen, freute ich mich schon seit Wochen auf dieses Großereignis. Doch dieses Jahr, sehnte ich mich besonders diesen Festivitäten entgegen. Denn dieses Mal – und das hatte ich mir fest vorgenommen, wollte ich IHN gewinnen, den großen Hauptpreis! Ich war hoch motiviert und voller Elan. Alles was ich dafür tun musste war lediglich: jedes Spiel der ca. 25 aufgebauten und von Mitschülern betriebenen Stände zu gewinnen, mir einen Stempel zur Bestätigung auf mein Stempelkärtchen geben lassen, um anschließend auf mein Glück zu hoffen, dass unser Schulleiter meine Karte aus den Hundert anderen zieht. „Ein Kinderspiel!“ dachte ich und stärkte somit mein Selbstbewusstsein.

Ich stapfte mutig und mit Ehrgeiz bepackt über den Schulhof, hinüber zum ersten Stand. Ringe werfen! „Pah!“ sagte ich mir, „Keine Herausforderung!“ und prompt gewann ich auch. Ich durfte mir einen kleinen Gewinn aussuchen. Ich entschiede mich für einen aufblasbaren Plastikball. „Peanuts!“ Vielmehr war ich auf den Stempel scharf, der mich einen Schritt näher zu meinem Hauptpreis brachte. Stolz betrachtete ich ihn. Mein erster Fleißpunkt! Nun begann der Wettstreit erst. Ich stürmte zum nächsten Stand und stellte mich in die Schlange wartender Kinder. „Alles Konkurrenten! Nur nett nicken, nicht zu freundlich!“ „Ach du hast auch schon einen Stempel, ja super das freut mich.“ „Mist!“ Die Konkurrenz spornte mich an. Ich ging von Stand zu Stand, ich schnappte die Wurst, ich tauchte nach dem Apfel, ich warf alle Dosen um, ich trug mein Ei als erste über die Ziellinie, ich sammelte Stempel hier und dort – zwischendurch gab’s eine Pause an der Würstchenbude und Kuchen von Mama – und weiter ging die Jagd. Stundenlang flitzte ich unermüdlich hin und her. „Welchen Stand hatte ich noch nicht, welcher Stempel fehlt noch? Ach der da drüben, der war vorhin zu voll.“ Und dann war es endlich soweit, das letzte Duell: Watte pusten! Ich blies und blies, bis die Watte meinem Gegner um die Ohren flog. Ich hatte gewonnen. Wieder suchte ich mir schnell etwas von dem Kleinkram aus, hielt meine Karte hin und bekam meinen letzten Stempel. Abermals betrachtete ich dieses wunderbare Stück Papier mit ihren 25 Kreisen. Alle Kreise waren gefüllt, mein Etappenziel erreicht. Mit geschwellter Brust, trug ich meine Stempelkarte rüber zum Richtertisch. Es wurde kontrolliert, ob alles stimmte – Name, Klasse, alle Stempel, Prima. Dann wurde sie in die Urne geworfen und ich musste nun nur noch warten.

Dann kam die Preisverleihung. Meine Aufregung stieg, meine Anspannung war schier unerträglich. Der große Schulhof füllte sich mit Schülern, Lehrern, Eltern und Familie. Unser kleiner T4 Schulbus fuhr vor. Der Schulleiter und unser Busfahrer stiegen aus. Die Heckklappe wurde runtergeklappt und unser Schulleiter stellte sich drauf. Mehrere Hundert Menschen besiedelten den Platz und ich – ca. 1,20 m groß stand ganz hinten. Mein Cousin, der vier Jahre älter und fast doppelt so groß war, beschrieb mir alles Weitere. „Er hat jetzt ein Mikro“ erzählte er. „Und… Ooh, der ganze Bus ist voller Spielkram!“ „Ja echt? Super!!“ „Wo ist der Hauptpreis?“ Ich war gespannt bis zum Platzen. Nun endlich fing der Schulleiter an. Allerdings erst mit einer langweiligen Rede, was das ganze nicht besser machte. Ich tigerte hin und her und versuchte einen Blick zu erhaschen. „Was machte er? Was hat er gesagt? Ist er jetzt fertig?“ „Ja, da kommt die Urne“ er hob mich hoch und ich konnte einen kurzen Blick auf das Schauspiel werfen. „Da kommt sie! Zieh mich, sag meinen Namen, ruf mich auf! BITTE!“ „Und jetzt zieh ich den oder die Gewinnerin des heutigen Hauptpreises: Die Gewinnerin ist – geistiger Trommelwirbel – Maria Espinosa Gonzales Morales* „Das bin ich!“ „Das bist du!!“ „Das bin ich!!! Wohooo, Yiiihaa, Das bin ich!!!“ „Du hast gewonnen!“ Es wurde applaudiert – für mich, die Gewinnerin. „Du musst nach vorne, deinen Preis abholen.“ „Ja komm, meinen Preis holen!“ strahlte ich meinen Cousin an. Wir gingen vorwärts, jubelnd und feiernd. Die Leute machten uns Platz, wir gingen durch einen Spalier uns zujubelnder Menschen, die sich mit mir freuten. Mein Cousin hob mich immer wieder freudig in die Luft. „Sie hat gewonnen!“ „Ich hab gewonnen!“ schrie ich jedes Mal, wenn mein Kopf über die Massen ragte. „Sie hat gewonnen!“ „Ich hab gewonnen!“ Der Freudentaumel schien Stunden zu dauern und wir kamen abgekämpft und immer noch leuchtend vor Freude vorne an. Ein letztes Mal hob mich mein Cousin hoch und setzte mich auf der Heckklappe ab. Dort stand ich nun und strahlte meinen Schulleiter an. Mein Grinsen ging bis über beide Backen. Er sah mich an und fragte: „Was möchtest du?“ „Was möchte ich?“ „Meinen Preis! Ich bin Maria Espinosa Gonzales Morales.“ „Ooh!“ sagte er „Das tut mir leid. Den hab ich schon weggegeben. Es kam schon jemand, der behauptet hat er wäre du.“

Die Welt hörte für einen kurzen Moment auf sich zu drehen. Es existierten nur noch diese Heckklappe, der Schulleiter und ich. Es klingelte in meinen Ohren. „Weggegeben?? WEG – gegeben? Mein Hauptpreis?? Weg?“ „Aber ich bin doch Maria Espinosa Gonzales Morales.“ „Das tut mir furchtbar leid. Was kann man denn jetzt machen?“ Es schien ihm wirklich leid zu tun. Lag wohl an meinem langen Gesicht und dieser bitteren Enttäuschung, die er dort lesen konnte. Ich war paralysiert, sprachlos, fassungslos. Ich konnte nur da stehen und ihn angucken. Mein Traum war zerplatzt, mein Glücksgefühl im Keller, meine Füße waren aus Blei. „Wer klaut einer 10-jährigen ihren Hauptpreis?!“ In Sekunden ganz unten. So fühlte ich mich. „Hier…“ der Schulleiter drehte sich schnell um und griff ziellos in den riesigen Haufen von Gewinnen. „Du kannst das als Ersatz haben. Ist zwar nicht so schön wie der Hauptpreis, aber auch gut.“ Es war eine Abstandskelle fürs Fahrrad. Damit ich immer den richtigen Abstand zu den Autos halten kann. „Wer brauch so was?? Ich möchte meinen Hauptpreis!“ In Trance nahm ich diese supertolle Kelle entgegen. „Was war denn der Hauptpreis?“ wollte ich ihn fragen, aber ich stand nur immer noch mit offenem Mund vor ihm. „Es muss was ganz tolles gewesen sein. Etwas, das alle haben wollen. Sonst hätte ihn mir nicht jemand so schnell weggenommen. Es waren…bestimmt…Diamanten. Ja, es müssen Diamanten gewesen sein.“ Ich schaute die Kelle an. Dann wieder den Schulleiter. „Ich hab recht oder? Es waren Diamanten!“ Ich drehte mich zum gehen um. Mein Cousin hob mich von der Klappe. Wieder gingen wir durch die Menschenmenge, die uns abermals auswich, aber diesmal erntete ich nur mitleidige Blicke. Doch das sah ich alles kaum, ich registrierte auch nur am Rande wie ein Freund meines Cousins uns entgegen rief. Angeblich hatte er den Übeltäter gesehen. Die beiden liefen hinter dem vermeintlichen Banditen her. Eine Finte wie sich rausstellte. Doch ich stand nur da, am Rande des Schulhofes, hinter der Menschenmenge, mit meiner Fahrradkelle. Und was ich immer wieder vor Augen hatte war ein einziges Bild: Der Dieb – mit meinen Diamanten!!

Meine letzen Worte möchte ich an den Übeltäter richten sollte er/sie/es zufällig diese Geschichte lesen:

„DAS WAREN MEINE DIAMANTEN!!!!“



*Name von der Redaktion geändert.

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